Dipl.-Psych. Michael Born
Im ersten Teil beschäftigen wir uns mit der Haltung des Gruppenleiters. Die Haltung prägt die Kultur der Gruppe, die Art und Weise des Umgangs miteinander. Schweigen, Sprechen und Hören sowie Getrenntheit und Verbundenheit sind basale Aspekte der Grundhaltung, zu denen weitere wichtige hinzukommen. Das Buch "Tao der Führung: Laotses Tao Te King für eine neue Zeit" (1988) des amerikanischen Psychologen John Heider (1936-2010) ist eine wunderbare Hilfe zur Entwicklung der eigenen Haltung: "Die Fähigkeit des weisen Gruppenleiters beruht nicht auf Techniken, Tricks oder einstudierten Übungen. Den Lauf der Dinge bewusst wahrnehmen ist eine Methode, die sich bei allen Menschen und in jeder Situation bewährt."
Im zweiten Teil möchte ich das von dem kanadischen Theologen Bernard Lonergan (1904-1984) in seinem Buch "Insight: A Study of Human Understanding" (1957) entwickelte Modell zum Prozess menschlichen Lernens vorstellen, das uns als Vorlage für den Lernprozess in der Gruppe dienen kann. Seine "Introspektive Methodologie" umfasst die 4 Schritte Erfahrung, Verstehen, Reflektion und Entscheidung, die als Prozessmodell und Orientierung für jede Gruppentherapiesitzung dienen können, unabhängig von den besprochenen Inhalten (Inhaltsebene).
An einem Fallbeispiel einer Gruppentherapiesitzung soll im dritten Teil das Zusammenspiel von Inhalt, Prozess und Deutung von Gedanken und Phantasien, genau genommen inneren Bildern, die die Wirklichkeit verzerren, aber als Wirklichkeit wahrgenommen werden, dargestellt werden. Dies ist der Kern der therapeutischen Arbeit. Als Hintergrund möchte ich einige wenige Sätze des österreichischen Philosophen Ludwig Wittgenstein (1889-1951) einführen, die wir uns für unsere therapeutische Arbeit nützlich machen können: "Wir machen uns Bilder der Tatsachen" (Tractatus, Satz 2.1). Diese Bilder können sich zu etwas Absolutem verfestigen, das das innere Erleben des Menschen beherrschen und lähmen kann. Dazu Wittgenstein (Philosophische Untersuchungen, §115): "Ein Bild hielt uns gefangen. Und heraus konnten wir nicht, denn es lag in unserer Sprache, und sie schien es uns nur unerbittlich zu wiederholen." Daraus lässt sich ableiten, dass der Gegenstand des psychotherapeutischen Prozesses die Aufdeckung und Auflösung verfestigter, absoluter Bilder und Gedanken ist.
Zum Abschluss soll Zeit für Austausch über unsere Erfahrungen, Fragen und Diskussion sein. Dabei kann auch der Frage nachgegangen werden, inwieweit das Dargestellte im Boden des psychoanalytischen Denkens wurzelt und ob und wo es davon abweicht.